Lederdrums und Hausgesicht

Exhibition review by Sophie Jung, taz

Ausstaffiert mit duftender Lederkluft:

das Schlagzeug von die Tödliche Doris.
Der Blick bleibt an dem lederbezogenen Schlagzeug auf dem Bildschirm haften: die Toms, die Becken, Bass Drum, High Hat – das ganze Drum Set ist von einem hellbraun gegerbten Rindsleder so eng überzogen als hätte Künstlerin Käthe Kruse es in flüssige Vollmilchschokolade getunkt. Dieses Schlagzeug spielte Käthe Kruse während ihrer Performances mit der Künstlergruppe die Tödliche Doris in den Westberliner Achtzigern. Man könnte ihm im Sinne Walter Benjamins eine Aura des Originals aus einer mittlerweile historisierten Zeit zuschreiben, würde der Lederüberzug es nicht auch noch mit diversen anderen „Auren“ überlagern, des Fetisch zum Beispiel, oder der Männlichkeit und Handarbeit.

Käthe Kruses humorvolle Querung der Kunsttheorie lässt sich während einer virtuellen Ausstellungsbegehung auf der Website des Projektraums LAGE EGAL nur erahnen. Man kann sie aber trotz Lockdown auch im Original sehen (und riechen, denn so viel Rindsleder wirft Duft ab), wenn man sich denn online einen Termin bucht.


Dann stellt man sich auch selbst die Benjamin’sche Frage nach Original und medialer Reproduzierbarkeit von Kunst, die die vier Ma­che­r:in­nen mit ihrer Ausstellungsreihe „Sonderlage“ jetzt in Pandemiezeiten geradezu beiläufig aufwerfen: Drei Künst­le­r:in­nen zeigen in kleiner Serie produzierte Editionen in Gegenüberstellung mit den Publikationen eines Kunstbuchverlags (den Auftakt macht der Kölner Salon-Verlag), dazu unveräußerbare Einzelstücke wie das lederbezogene Schlagzeug.


Ben Greber minimiert für die jetzige der fünf geplanten Sonderlage-Ausstellungen seine sonst raumgreifenden architektonischen Installationen auf OP-grün getönte Medizinschränke, Clara Bahlsen zoomt auf ihren Fotografien banale Gegenstände zu schönen wie ungewöhnlichen Kompositionen heran und Käthe Kruses macht mit ihren reduzierten Textarbeiten Zeit begreifbar. Für den Digitaldruck „75 Jahre – 75 Wörter“ etwa sammelte Kruse Schlagworte aus Artikelüberschriften von Berliner Zeitungen und macht in knappster Form die Zeitgeschichte der Stadt sichtbar.

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